DGB-Bildungswerk
Thüringen e.V.

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Denknadel Dr. Ehrlich

Wir stehen in der Bahnhofstraße, die in der Zeit des Nationalsozialismus Adolf-Hitler-Straße hieß. In diesem Haus, das damals die Nummer 40 trug, lebte und arbeitete von März 1933 bis Oktober 1938 Dr. Ernst Ehrlich, ein jüdischer Arzt. Seit 2011 erinnert eine DenkNadel vor dem Gebäude an seine Verfolgungsgeschichte, die beispielhaft für die systematische Ausgrenzung jüdischer Ärzte in der Zeit des Nationalsozialismus steht.

Der 1874 geborene Dr. Ehrlich war Facharzt für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er für das Deutsche Reich. Er war verheiratet, hatte zwei Kinder und die Familie gehörte zur Erfurter Synagogengemeinschaft.

Bei der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 war Dr. Ehrlich bereits 59 Jahre alt. Am 22. April 1933 begann für den Arzt, genau wie für seine jüdischen Kolleg*innen, der Kampf um den Fortbestand der eigenen wirtschaftlichen und beruflichen Existenz. Mit der „Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen“ wurde den als jüdisch definierten Kassenärzten die Zulassung entzogen. Nur dank der Ausnahmeregelung für Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs konnte Dr. Ehrlich zunächst weiter praktizieren. Bereits im Mai 1933 durften jedoch keine Überweisungen mehr zwischen sogenannten „arischen“ und „nichtarischen“ Ärzt*innen ausgestellt werden. Patient*innen wurden angehalten, sich nicht-jüdische Mediziner*innen zu suchen. Von diesen grenzten sich viele von ihren jüdischen Kolleg*innen ab, so wurden jüdische Ärzt*innen von Weiterbildungen bei der „Akademie für ärztliche Fortbildung“ in Berlin ausgeschlossen und der Erfurter Amtsleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands ließ 1934 Zettel mit der Aufschrift „Deutscher Arzt“ an nichtjüdische Kassenärzte verteilen. Mehr und mehr jüdische Ärzt*innen entschlossen sich aufgrund der zunehmenden Repressionen zur Emigration, es gibt aber auch Berichte von Selbstmorden jüdischer Ärzt*innen, die plötzlich vor dem Nichts standen. Dr. Ehrlich blieb. Am 30. September 1938 verloren schließlich alle jüdischen Ärzt*innen endgültig ihre Zulassung. Dies bedeutete nicht nur den Verlust der wirtschaftlichen Grundlage, es wurde ihnen auch verboten, den Doktortitel zu führen und sich Arzt zu nennen. In Nacht des Novemberpogroms 1938, während die Synagoge am Erfurter Stadtring brannte, wurde Dr. Ehrlich von der Gestapo abgeholt. Nach einer Nacht in der Turnhalle der Meyfahrtstraße, wo etwa 190 jüdische Erfurter Bürger teilweise schwer misshandelt wurden, folgte im Morgengrauen des nächsten Tages der Transport nach Weimar ins nahegelegene Konzentrationslager Buchenwald .

Nach seiner Entlassung kehrte Dr. Ehrlich zunächst in die Stadt zurück. Er musste sich aufgrund des Berufsverbots fortan als „Krankenbehandler“ bezeichnen und durfte nur noch jüdische Patient*innen in einer Praxis in der Friedrichstraße behandeln.

Ab 1942 war Dr. Ernst Ehrlich in der Regierungsstraße 19 wohnhaft gemeldet. Dort befand sich ein sogenanntes „Ghettohaus “. Nur einen Monat später, am 18. September 1942, begann Dr. Ehrlichs Deportation vom Erfurter Hauptbahnhof aus über ein sogenanntes „Auffanglager“ in Weimar in das Konzentrationslager Theresienstadt. Insgesamt 41 Menschen aus Erfurt befanden sich auf diesem Transport. Nur wenige Wochen nach der Ankunft in Theresienstadt, am 13. Oktober, starb Dr. Ernst Ehrlich dort infolge der unmenschlichen Lebensumstände. Er wurde 68 Jahre alt.

Rundgänge
Diese Station ist Bestandteil der folgenden Rundgänge: