Mit dem Erlass der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ infolge des Reichstagsbrandes am 28. Februar 1933 versuchten die Nationalsozialisten, politischen Widerstand zu brechen und verhafteten zu diesem Zweck zahlreiche politische Gegner*innen im gesamten Reichsgebiet. Allein aufgrund polizeilicher Anordnung und ohne richterliche Kontrolle konnten Personen durch Mitglieder nationalsozialistischer Organisationen in sogenannte „Schutzhaft“ genommen werden, um sie anschließend in eilig eingerichteten Haftstätten zu internieren.
In Erfurt nutzten die Nationalsozialisten zunächst das Polizeigefängnis auf dem Petersberg für die Unterbringung verhafteter politischer Gegner*innen. Mit der steigenden Zahl der sogenannten „Schutzhäftlinge“ reichte dieses jedoch nicht mehr aus, sodass ein eigenes „Schutzhaftlager“, heute Konzentrationslager genannt, eingerichtet wurde. Es befand sich in der Feldstraße 18 im Norden der Stadt im Stadtteil Ilversgehofen. Das Viertel, in dem das Lager im April 1933 entstand, war überwiegend von Arbeiter*innen bewohnt und deshalb in der Zeit der Weimarer Republik ein Zentrum der Arbeiter*innenbewegung gewesen. Die Einrichtung des KZ an diesem Ort stellte insofern eine Provokation dar, befand sich doch beispielsweise in der Feldstraße 30 die Gaststätte „Zum guten Tropfen“, die ein beliebter Treffpunkt der Sozialdemokrat*innen war.
Provisorisch wurde Ende März 1933 ein Fabrikgelände im Hinterhof eines leerstehenden Wohnhauses nun zur Internierung zahlreicher Personen genutzt, die vor allem den kommunistischen und sozialdemokratischen Parteien angehörten. Die Einrichtung des Lagers erfolgte durch die Erfurter Polizeidienststellen. Am 30. März berichtete die Thüringer Allgemeine Zeitung: „Zur Unterbringung der politischen Gefangenen ist von der Polizei das städtische Grundstück Feldstraße 18 beschlagnahmt worden.“ Bewacht wurde das Lager von Angehörigen der SA. Sein Leiter war der ehemalige Schutzpolizeiangehörige Böttger. Ein Lattenzaun im Inneren des Hinterhofes diente dazu, das Treiben innerhalb des Lagers vor Schaulustigen und Anwohner*innen zu verbergen. In zwei Räumen im Erdgeschoss und im ersten Stock waren die Internierten untergebracht. Anfang Mai 1933, nach der Zerschlagung der Gewerkschaften, wurden auch deren Funktionär*innen in der Feldstraße eingesperrt.
Die Sanitäranlagen in der Einrichtung waren der Belegung des Lagers nicht angemessen. Über die genaue Zahl der Internierten lassen sich aufgrund der hohen Fluktuation keine Angaben machen. Kurt Weise, ehemaliges KPD-Mitglied und selbst in der Feldstraße interniert, sagte 1979 über seine Erlebnisse aus und bezifferte die Zahl der Eingesperrten für den Sommer 1933 auf ca. 150 Personen. Über die sonstigen Lebensumstände im Lager in der Feldstraße ist wenig bekannt. Da die „Schutzhaft“ jedoch ohne Angabe von Gründen oder Haftdauer verhängt wurde, folgte für die Verhafteten nach ihrer Festnahme eine ungewisse Zeit. Vor allem für Abgeordnete und Gewerkschaftsfunktionär*innen stellte die Verhaftung häufig einen Schock dar.
Der Leiter der Druckerei Fortschritt und Direktor des Thüringer Volksblattes, Paul Hockarth, schildert in einem Brief an seine Familie den Alltag in der Feldstraße. Die Briefe der Internierten wurden jedoch von den Nationalsozialisten zensiert.
„Nach einer Nacht auf einer durchgelegenen Matratze um halbsieben aufstehen, sieben Uhr Frühstück, Beschäftigung mit Schachspiel oder Lesen, um halb zehn eine halbe Stunde Freigang im Hof, wobei ein Abstand von sechs Schrotten eingehalten werden müsse, dann wieder bis zum Mittagessen um zwölf Uhr Lesen, Schreiben, Spielen. Nach einem langen Nachmittag bekomme man um 19 Uhr Abendessen, um 20 Uhr gehe das Licht aus.“
Auch zu verschiedenen Arbeiten wurden die Internierten herangezogen. Dabei wurden sie von ihren Bewachern der SA misshandelt und geschlagen. Jüdische Internierte waren dabei im Besonderen das Ziel körperlicher Angriffe. Bei den Arbeiten handelte es sich teilweise um schwere körperliche, teilweise auch um demütigende Aufgaben, wie beispielsweise das Herstellen von Girlanden für das Gautreffen der SA. In regelmäßigen Abständen wurden Insassen des KZ Feldstraße von der SA zu Verhöraktionen verschleppt. Hans Jopp erinnerte sich:
„Am 28. Juni begannen die sogenannten SA-Verhöre, d.h. Folterungen. Kurz nach dem Mittagessen kam ein großer ‚Flitzer‘ [Überfallwagen] vorgefahren mit 10-12 SA-Männern, die einige Häftlinge abholten. […] Als die Genossen gegen Abend zurückkamen, wurden wir alle in die Zellen eingeschlossen und die genannten Genossen wurden in einer besonderen Zelle untergebracht. Ich konnte den Genossen Marchand auf dem Flur sehen. Er war in einer furchtbaren Verfassung.“
Einige Tage später wurden bei einem erneuten Verhör Internierte auf einem abgeriegelten Grundstück im Steigerwald misshandelt. Dabei wurde der Kommunist Heinz Sendhoff von Angehörigen der SA erschossen. Auch Josef Ries und Waldemar Schapiro wurden als „Schutzhäftlinge“ getötet.
Die Verfolgung von politischen Gegnern war auch für die Erfurter Öffentlichkeit keineswegs ein Geheimnis. In zahlreichen Artikeln und Kurzmeldungen konnte sich die Bevölkerung über die Polizeiaktionen und Verhaftungen informieren. Die Verschleppungen zu den brutalen „Verhöraktionen“ waren unter den Erfurter*innen ein offenes Geheimnis.
Wer aus der „Schutzhaft“ entlassen wurde, hatte über das Erlebte Stillschweigen zu wahren. Die Nationalsozialisten versuchten mit der Repression gegen politische Gegner nachweislich auch, diese in die „Volksgemeinschaft“ zu integrieren und als Fürsprecher der neuen Ordnung zu gewinnen bzw. wenigstens ihre oppositionelle politische Betätigung für die Zukunft zu unterbinden. Dies gilt allerdings nicht in gleichem Maße für jüdische Oppositionelle, die in der rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten von vornherein von der Zugehörigkeit zur „Volksgemeinschaft“ ausgeschlossen waren. Neben Entlassungen im Vorfeld der Auflösung des Lagers wurden einige Internierte in Sammeltransporten in neu eingerichtete größere Konzentrationslager verlegt. Am 22. Juli 1933 wurde ein Teil der in der Feldstraße Eingesperrten in das KZ Lichtenburg verlegt. Am 17. August 1933 ging ein weiterer Transport in das Lager Papenburg bzw. das spätere KZ Esterwegen. Nachdem das KZ Feldstraße aufgelöst wurde, kamen neuerlich festgenommene „Schutzhäftlinge“ in das Gerichtsgefängnis in der Erfurter Andreasstraße.